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Beratungsbeispiel: Unsinn einer Altersbeitragsentlastung in der pKV

Mein Mandant (selbstständig, ca. 50 Jahre alt) erhielt ein Angebot seiner privaten Krankenversicherung für eine sogenannte Altersbeitragsentlastung. Dabei wird der pKV-Beitrag im Erwerbsleben erhöht und im Gegenzug in der Rentenphase reduziert. Damit soll das Risiko von immer höheren pKV-Beiträgen im Alter reduziert werden.

Dies klingt erst mal vernünftig. Im Erwerbsleben etwas mehr bezahlen und dafür hintenraus weniger. Die entscheidende Frage ist aber, ob es eine sinnvolle Lösung für das eigentliche Problem ist.

Die Analyse

Option 1: "pKV-Angebot"

Das Angebot der pKV für meinen 50-jährigen Mandanten war:

  • Aktueller Monatsbeitrag 525 EUR
  • Bezahle ab heute 235 EUR mehr
  • Bekomme ab dem 65. Lebensjahr eine Beitragsentlastung von 75%, ca. 375 EUR weniger

 

Option 2: "in Eigenregie"

Alternativ könnte man Folgendes tun

  • Lege monatlich 235 EUR auf die Seite und spare das Geld während des Erwerbslebens an
  • Entnehme ab dem 65. Lebensjahr bis das Guthaben aufgebraucht ist

 

Es ist leicht verständlich, dass Option 2 "in Eigenregie" umso vorteilhafter ist, je höher die Rendite des Sparvorgangs und je kürzer der Bezug in der Rentenphase (sprich ein früher Tod). Dazu ein Zahlenbeispiel:

  • Der Mandant spart über die nächsten 15 Jahre monatlich 235 EUR = 42.300 EUR
  • Bei einer angenommen Verzinsung in Höhe von 2% p.a. erhöht sich der Kapitalstock auf ca. 53.000 EUR
  • Stirbt der Mandant mit 70, dann hätte er sich aus dem Kapitalstock zwischen 65 und 70 jeden Monat ca. 930 EUR entnehmen können.
  • Dies ist offensichtlich viel mehr als er bei Option 1 zurückbekommen hätte.

 

Das Ergebnis

Da Verzinsung und Todeszeitpunkt heute nicht bekannt sind, habe ich verschiedene Konstellationen berechnet. Ein roter Eintrag in der Matrix bedeutet, dass Option 2 "in Eigenregie" dem Angebot der pKV überlegen ist. Ein grüner Eintrag bedeutet das Gegenteil.

Es wird klar, dass der Vertrag sich in den meisten Fällen eher für die pKV und weniger für meinen Mandanten lohnt. Nur wenn sein Sparvorgang kaum Verzinsung erwirtschaftet oder er überdurchschnittlich alt wird, lohnt es sich für ihn das Angebot der pKV anzunehmen.

Zusätzlich zur obigen Überlegung haben wir folgende Themen diskutiert:

  • Der Steuerberater hat den - in diesem Fall - sehr geringen Steuereffekt abgeschätzt
  • Der Sparvorgang in Eigenregie hat den Vorteil, dass die Liquidität theoretisch auch für andere Situationen verwendet werden kann. Z.B. Investitionen in den Betrieb.
  • Die Gestaltungsmöglichkeiten meines Mandanten innerhalb der pKV (anderer Anbieter, anderer Tarif beim gleichen Anbieter) werden durch den Zusatzvertrag eingeschränkt. Es handelt sich um ein geschicktes Kundenbindungsinstrument des pKV-Anbieters.

In Summe war das ein klares "auf keinen Fall machen" für meinen Mandanten.

Da mein Mandant aber gerne aktiv etwas gegen das Risiko von immer höherern pKV-Beiträge unternehmen will, haben wir folgende zwei Schritte umgesetzt:

  1. Erhöhung der Sparrate für sein Kapitalmarktportfolio (kostengünstige und langfristig angelegte Aktienfonds) um 235 EUR pro Monat
  2. Überprüfung seiner Möglichkeiten zur Optimierung seines pKV-Vertrages durch einen unabhängigen Fachexperten.

PS: Ein Schelm wer Böses denkt

Ist Ihnen jetzt wirklich klar, wie hoch der pKV-Monatsbeitrag meines Mandanten im Alter von 66 Jahren wäre? Bitte schauen Sie sich die Zahlen von oben noch mal an und bestimmen Sie den Monatsbeitrag in der Ruhephase.

 

Bis zum Alter von 65 ist es klar. Der Mandant bezahlt aktuell 525 EUR und der Zusatzbeitrag für die spätere Beitragsentlastung beträgt 235 EUR, also dann 760 EUR pro Monat.

Danach greift die Beitragsentlastung in Höhe von 375 EUR. Die Frage ist nur, ob dies den ursprünglichen Monatsbeitrag (also 525 EUR - 375 EUR = 150 EUR) oder den neuen Monatsbeitrag (760 EUR - 375 EUR = 385 EUR) reduziert

Um es kurz zu machen: es gilt der zweite Fall. Der Mandant muss den Zusatzbeitrag auch über das 65. Lebensjahr hinaus bezahlen und daher liegt sein Monatsbeitrag im Alter von 66 Jahren bei 385 EUR. Dies war den Unterlagen nur nach gründlicher Prüfung zu entnehmen. Mehr noch, die Darstellung im Angebot lag für mich irgendwo zwischen ungeschickt und irreführend, da

  1. eine Entlastung in Höhe von 75% sehr prominent beworben wird und jeder sofort daran denkt, dass für Ihn nur noch 25% zu zahlen sind. Tatsächlich reduziert sich der pKV-Monatsbeitrag gerade mal um 27%,
  2. die Information, dass der Zusatzbeitrag für die spätere Beitragsentlastung auch über das 65. Lebensjahr hinaus bezahlt werden muss, irgendwo im Kleingedruckten steht,
  3. ein Zahlenbeispiel mitgeliefert wird, bei dem (zufällig oder absichtlich?) der Monatsbeitrag relativ nahe am aktuellen Monatsbeitrag meines Mandanten liegt. Richtiger wäre hier ein Zahlenbeispiel zu nehmen, das den Beitrag meines Mandanten inkl. dem Zusatzbeitrag zeigt.

In Summe kann so leicht der Eindruck entstehen, dass sich der aktuelle Monatsbeitrag meines Mandanten um die Beitragsentlastung reduziert.

 

Disclaimer

Den dargestellten Vergleich habe ich für die individuelle Situation meines Mandanten durchgeführt. Dieser Artikel beinhaltet keine Empfehlung zum Abschluss oder Nicht-Abschluss eines Vertrages. Die Angemessenheit und Eignung eines Finanzproduktes muss immer im Einzelfall geprüft werden und ich rate Ihnen dabei einen unabhängigen Fachmann zu Rate zu ziehen.  Insbesondere weise ich auf die folgenden Sachverhalte hin:

  • Steuerliche Implikationen einer solchen Zusatzversicherung sollten Sie in jedem Fall mit einem Steuerberater abstimmen.
  • Die oben dargestellte Verzinsung ist als eine "nach Steuern und Kosten-Größe" zu verstehen.
  • Eine Zusatzversicherung entzieht Ihnen in den nächsten Jahren Liquidität, über die Sie nicht mehr frei verfügen können. Die Zusatzversicherung irgendwann zu kündigen ist mit Abstand die Schlechteste aller Varianten.
  • Beim Abschluss einer Zusatzversicherung schränken Sie Ihre Wechselmöglichkeiten zwischen verschiedenen Anbietern der pKV bzw. auch beim gleichen Anbieter gegebenenfalls ein. Hier ist wirklich gründlich zu prüfen, was mit Ihrem Guthaben aus der Zusatzversicherung bei einem Wechsel passiert. Im Extremfall ist das Guthaben einfach verloren.
  • Die zukünftige Entwicklung der pKV-Beiträge sind heute nicht bekannt und es wurden nur die heute feststehenden oder vertraglich fixierten Informationen verwendet.

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